Warum extrem?

Beobachtet man den Lebenswandel mancher Menschen, kommt man ins Staunen: Vom Discokönig zum strenggläubigen Christen. Vom Junkie zum Ironman. Vom Top-Management ins Kloster. Regelmäßig erscheinen Biographien von Menschen, die einen solchen Wandel vollzogen haben.

Vielleicht kennen auch Sie jemanden, der von einem Extrem ins andere wechseln. Denn was anderes ist das nicht. Von wegen Weiterentwicklung, die oft als Begründung dafür herhalten muss. Der Schauplatz hat sich zwar geändert. Narzissmus und Sucht stecken aber immer noch dahinter. Wenn Sie sich am Nordpol befinden und es gerne etwas wärmer hätten, werden Sie vermutlich nicht zum Südpol reisen, sondern etwas mehr in die Mitte der Erdkugel. Und diese Reise zur Mitte ist das, was Menschen mit dem Hang zum Extremen nicht gelingt. Das wäre aber die wirkliche Entwicklung: hin zu mehr Ausgeglichenheit und innerer Stabilität. Aber nein, es muss wieder eine extreme Umgebung sein. Nur dann stellt sich das Gefühl einer Veränderung ein. Das Paradoxe: Gesunde und stabile Menschen bewundern dann solche Schwankungen. Viel beeindruckender kann es aber sein, wenn sich jemand konstant in der Mitte befindet und – das mag jetzt langweilig klingen – auf einem ganz normalen Weg ein glückliches Leben führen kann. Wir leben in einer Zeit, in der es fast peinlich ist, normal zu sein. Dabei ist der normale Weg breit genug, um individuelle Wege zu gehen. Wenn man seinen gefunden hat, braucht man keine großen Sprünge mehr und kann trotzdem viel erreichen. Viel langweiliger kann es sein, ein Leben lang danach suchen zu müssen.